Yoga und Wandern hoch über dem Neckar

Fronleichnam 2024, Ankunft in Dilsberg, Neckargemünd, Rhein-Neckar-Kreis, Jugendherberge. Strahlender Sonnenschein, beste Wetteraussichten, 200 m hoch gelegen mit herrlichem Blick auf eine Neckarschleife, eingebaut in die noch vollständig erhaltene mittelalterliche Stadtmauer dieses bezaubernden Ortes. Urlaubsgefühle!

Immerhin, seit 45 Jahren nicht mehr in einer solchen Einrichtung übernachtet. Ungefähr genauso lange schon Mitglied im DAV und jetzt zum ersten Mal bei einer Reise dabei, zugegeben, einer Kurzreise, motiviert von einer Bekannten, die dann selbst gar nicht mitfahren konnte – Abenteuer!

Wir sind zu elft, zehn Frauen und ein Mann, eine überschaubare Gruppe, gemeinsam mit Wanderführerin Regina Hacke und Yogi Elke Seidensticker. Das Miteinander ist von Anfang an offen, lebendig und zugewandt, ich fühle mich direkt aufgehoben und angenommen und bin neugierig aufs Kennenlernen.

Nach Einweisung und Einrichtung auf den Zimmern gibt’s noch eine kurze Mittagspause auf der Terrasse mit Blick auf den Neckar, dann geht’s auch schon los auf die erste Tour. Wir laufen die zweite Etappe des Neckarsteigs, etwa 9 km mit 350 Hm.

Blick von der Jugendherbergsterrasse auf die Neckarschleife

Bevor wir uns auf den Steig begeben, besichtigen wir die örtliche katholische Kirche St. Bartholomäus, deren Ursprünge bis etwa ins Jahr 1380 zurückreichen. Das Kircheninnere, mehrfach umgebaut und erweitert, bietet das typische Bild eines im Hochbarock geweihten Gotteshauses. Welch ein Kontrast dagegen die evangelische Kirche wenige Meter entfernt. Typisch protestantisch, schmucklos und schlicht, lädt sie die Besucher ein, über ein Touchpanel ihren eigenen kleinen Gottesdienst mit meditativen Lichteffekten zu gestalten; ganz schön zeitgemäß, finde ich.

Weiter geht’s durch einen wunderbaren Laubmischwald, der uns gerade jetzt, Anfang Mai, mit seinem frischesten jungen Grün begrüßt. Und da wir Wandern und Yoga verbinden wollen, lädt uns Elke zu einer meditativen Pause ein. Wir sitzen auf Baumstämmen, lauschen ihrer Stimme und hören auf den Wald. Im Verlauf des Wegs entdecken wir immer wieder herrliche Ausblicke, sei es zurück auf den Dilsberg, diese im wahrsten Wortsinn Burggemeinde, deren Geschichte wohl bis weit in die vorchristliche Römerzeit zurückreicht, oder eben auf den Neckar, der sich hier in zahllosen Schleifen eindrucksvoll durch das Tal windet.

… Blick auf den Dilsberg

Wir genießen unsere Mittagsrast mit Panoramablick und kommen am berühmten Tilly-Stein vorbei, der an die Belagerung der Burgfeste Dilsberg durch Tillys Truppen 1618 im Dreißigjährigen Krieg erinnert. Neben all dem Staunen über die geschichtsträchtigen Schönheiten um uns herum kommen auch die Gespräche nicht zu kurz: Das gegenseitige Kennenlernen ist im „Walk and Talk“ ein Leichtes.

Zwar kommen wir alle aus verschiedenen „Alltagen“, aber uns verbindet die Lust und Freude an der Bewegung in der Natur. Mehr noch: Schnell zeigt sich, dass es eine Art Gleichklang zwischen uns gibt, weil sich immer wieder neue Gesprächskonstellationen zusammenfinden, so dass bald eine Rundum-Wohlfühl-Atmosphäre entsteht. Beste Voraussetzungen für die nächsten zweieinhalb Wander- und Yogatage!

Am Abend stärken wir uns mit Spaghetti in der Jugendherberge und entspannen dann in unserer ersten Yoga-Stunde.

Auch Yoga am Morgen „vertreibt Kummer und Sorgen“… Wenn um 6:15 Uhr der Tag mit Yoga beginnt, mit Strecken, Dehnen, Mantra-Singen, An- und Entspannen, mit Sonnengruß und Flieger-Kobra-Sphinx und Kind, dann bist du wach, bereit, offen und tatendurstig! Nach ausführlichem Frühstück starten wir bei herrlichstem Sonnenschein kurzhosig mit dem Bus nach Neckargemünd, um auf der Etappe 1 des Neckarsteigs nach Heidelberg zu wandern.

Regina und Elke mit Gnomenbaum

Vor uns liegen, wie sich hernach herausstellt, knapp 19 km und an die 800 Hm. Natürlich sind das keine hochalpinen Wegverhältnisse, wir befinden uns im Odenwald, einem Mittelgebirge. Doch die Steigungen können durchaus fordernd sein, sehr steil, wegsam zwar, aber man ist doch gut beraten, den Boden im Blick zu behalten, um ohne zu stolpern mit stetem Schritt und – das kann man beim Yoga lernen – kontrolliertem Atem Höhe zu gewinnen. Als es nach einer Weile des Steigens endlich wieder ebener wird, stehen wir plötzlich vor Bäumen, deren Wurzel in den Himmel ragen. Wir entdecken den Gnomengarten, in dem ein Kettensägenkünstler den umgedrehten Bäumen Gesichter eingeschrieben hat, die unsere Fantasie zu Geschichten anregen sollen. Ein wunderbares Umfeld für eine kurze Wanderauszeit zum Waldbaden. Waldbaden – solange es noch steil bergauf ging, hätte man sich darunter das Baden im nassgeschwitzten Wander-Outfit denken können. Aber natürlich wissen wir alle, dass es beim Waldbaden darum geht, den Wald, die Bäume mit allen Sinnen zu erleben, sich mit ihnen zu verbinden, ihre stille Ausstrahlung zu spüren. Unter Elkes Anleitung finden wir uns innerlich ein am Ort, um dann jede/r für sich den eigenen Baum zu finden und zu fühlen.

Der Nachmittag brachte noch viele Höhenmeter, herrliche Ausblicke, kurze Trink- und Durchatmen-Rasten, bis wir schließlich am Königstuhl oberhalb von Heidelberg ankamen. Was für ein Wechselbad! Gerade noch in Waldes Stille, plötzlich mittendrin im Touristen-Hotspot. Aber der Blick auf Heidelberg am Neckar – einfach fantastisch!

Gruppenbild mit Neckar und Heidelberg

 

 

 

Doch schnell wollen wir dem Gewusel wieder entkommen und machen uns auf, die Himmelsleiter abwärts zu schweben. Naja, Schweben wäre den Mund ein wenig voll genommen. Einige von uns laufen die unegalen Felsblocktritte behende bergab, andere wieder, auch ich, setzen bewusst und gezielt die Stöcke ein, um in kontrolliertem Abwärtsschritt die schier endlos scheinenden Stufen hinunterzugehen – und es sind unendlich viele: Alles in allem von Königstuhl über Himmelsleiter bis hinunter in die Heidelberger Altstadt zählen wir knappe 1.800 Stufen.

Die Himmelsleiter vom Königstuhl nach Heidelberg
Elke empfängt uns entspannt …

 

Elke schien tatsächlich geschwebt zu sein, denn als wir unten ankommen, finden wir sie in wundersamer Begleitung zahlreicher leer getrunkener Flaschen …

Die fortgeschrittene Zeit verhindert für heute ein Verweilen in Café oder Eisdiele, was angesichts des touristischen Füllstands der Heidelberger Altstadt auch kein Drama ist. Vielmehr nehmen wir eine entspannte bayerische Brotzeitvesper mit Riesen-Radi-Portionen und herrlichem Hellen in Mückenloch, von wo wir dann tatsächlich noch eine gute halbe Stunde zurück auf den Dilsberg laufen. Und trotz des langen, schrittreichen Tages sowie der früh uns erwartenden Yoga-Matten, genießen wir noch späte Terrassengespräch bei Wein und Knabbereien, für die von heimlicher Hand irgendwie immer gesorgt ist. Ach ja, das ist übrigens der Abend mit den versehentlich nach Süden gerutschten Polarlichtern – davon ist auf dem Dilsberg immerhin eine Ahnung zu sehen.

Samstag, Yoga mit Sonnengrüßen, Gesang, Entspannung und meditativen Einsichten – dann auf nach Neckarsteinach! Wir fahren öffentlich, ist ja logisch, und laufen heute die dritte Etappe nach Hirschhorn, angesagt als 16,5 km mit rund 500 Hm. Dritter Tag, meine Muskeln, Knochen und Gelenke melden sich, aber ich versuche, sie zum Schweigen zu bringen, indem ich ihnen die zu erwartenden Schönheiten des Weges zuflüstere. Der Odenwald über dem Neckar fordert und belohnt mit viel gesundem Wald und mancher Kuriosität, wie dem Entspannungsrad oberhalb von Hirschhorn. O – denwald eben…

Nicht leicht zu erkennen: neben dem metallenen O im Stein „…denwald“

Wir laufen, reden, atmen, schauen, genießen und machen natürlich auch eine Yoga-Pause. Alles in schönstem Sonnenschein. Die Altstadt von Hirschhorn winkt mit Kaffee und Kuchen und – endlich! – mit Eis! Wir nehmen alles wahr, schlendern noch ein wenig durch die Gassen und fahren schließlich zurück auf „unseren“ Dilsberg.

Die Feedbackrunde auf der Wiese wird zunächst von heftigstem Kirchengeläut etwa 15 Minuten verzögert – die glücklichen Gesichter nehmen’s gelassen und rundherum gibt es empathische Worte der Begeisterung und der Bereicherung. Und, ganz ehrlich, ich war und bin auch sehr begeistert!

Es hat einfach alles gepasst, zwischenmenschlich und – nicht zu unterschätzen! – von Planung und Organisation her war es einfach sehr stimmig, ohne in kühlen Perfektionismus auszuarten. Ich könnte zur Wiederholungstäterin werden!

Anschließend essen wir fürstlich in der Dilsberger „Sonne“ und lassen den schönen Tag wieder gemeinsam ausklingen auf der Terrasse mit unverbaubarem Neckarblick.

Feedback-Runde auf der Wiese

Sonntag, Start in den Tag mit Yoga – daran könnte man sich gewöhnen! Während sich die Gruppe nach dem Frühstück bei bestem Sonnenschein auf den Vier-Burgen-Rundweg um Dilsberg begibt, heißt es für mich leider schon Abschiednehmen. Denn meine andere Leidenschaft gehört der Kunst. Als Betreiberin der Kunsthaus Taunusstein öffne ich sonntags Haus und Ausstellung 15 bis 18 Uhr, mit Führungen jeweils am ersten und dritten Sonntag im Monat. Aber das ist eine andere Geschichte

Auf dem Heimweg lasse ich die Zeit Revue passieren – ich durfte ein neues Stück attraktiver Wanderwelt kennenlernen, rundum gute Gespräche führen, meine Yoga-Erfahrung erweitern und endlich den Deutschen Alpenverein „persönlich“ erleben. Drei Tage mit liebenswerten Menschen, viel Fröhlichkeit, Freude und Tiefgang – erlebnisreich, spektakulär, wohltuend und bereichernd. Das mache ich wieder!

Irene Haas

im Mai 2024

Idyllischer Neckar, Brücke an der Haltestelle Neckargemünd Eisenbahn